Merkels richtige Entscheidung

Tom Strohschneider über das Votum der Regierung in der Affäre Böhmermann

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 3 Min.

Angela Merkel hatte am Freitag noch kaum ihren Böhmermann-Vortrag zu Ende vorgelesen, da blies die linke Opposition schon zur Kritik und ließ dabei an Empörung nichts zu wünschen übrig: Die Bundesregierung, mehr noch: die Kanzlerin sei im Fall des Moderators gegenüber der sich despotisch aufspielenden türkischen Administration eingeknickt. Von einem Kotau vor einem Autokraten war die Rede, von antiasylpolitisch bestimmter Kumpanei, von einem Schlag ins Gesicht der Kunstfreiheit und so fort.

Nun, das kann man so sehen – die Entscheidung der Bundesregierung, die dem Vernehmen nach vom sozialdemokratischen Teil nicht begrüßt wurde, aber auch als richtig betrachten. Merkel hat erstens dem Rechtsstaat in einer politisch aufgeblasenen Auseinandersetzung seine Geltung verschafft – ob hier eine Beleidigung vorliegt, entscheiden die unabhängigen Gerichte. Merkel hat zweitens die dem türkischen Begehr zugrundeliegende Rechtsnorm als überholt und »entbehrlich« zum Abschuss freigegeben – der an obrigkeitsstaatliche Zeiten erinnernde besondere Ehrenschutz für das Herrschaftspersonal wird jetzt endlich fallen. (Und vielleicht zieht ja zu Gunsten von Böhmermann sogar noch Paragraf 2 des Strafgesetzbuches, in dem es heißt: »Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.«)

Der Hinweis darauf, die Entscheidung in Berlin sei lediglich gefallen, um den umstrittenen Deal mit der Türkei bei der Abschottung der Festung Europa zu retten, läuft ins Leere. Wer diese Kooperation zu recht kritisiert, hatte dazu schon vor der von einigen als Satire bezeichneten Einlassung Böhmermanns viel bessere Gründe. Kaum wahrscheinlich ist es zudem, dass Ankara ein paar Milliarden und die Aussicht auf die Erfüllung geostrategischer Wünsche überhaupt und allein deshalb aufgeben würde, weil jemand den Autokraten von Ankara folgenlos beleidigt – Merkel hatte hier nichts durch Kotau oder ähnliches zu retten. Denn, und schließlich: Mit dem persönlichen Strafantrag von Erdogan war ein strafrechtliches Nachspiel zum Böhmermann-Auftritt doch ohnehin sehr wahrscheinlich geworden. Die Staatsanwaltschaften werden darüber befinden.

Keine Frage: Es gibt weder Grund, das autoritäre und menschenrechtsverletzende Gebaren des türkischen Regimes zu beschönigen. Noch gibt es Anlass, mit Kritik an der auf Abschottung Europas gerichteten Politik der Bundesregierung zu sparen, die zu diesem Zwecke Deals mit Ankara abschließt. Wenn man aber im politischen Schlagraster des Falles Böhmernann bleibt, dann bleibt Merkels Votum richtig – sie macht die Affäre damit auf ihre Weise zu einem Fall Erdogan: indem sie dem Recht seine unabhängige Geltung verschafft, das in Ankara längst vom politischen Gutwillen kleiner und mittlerer Paschas abhängig ist.

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