Giftschlamm einfach in die Gegend gekippt

In Mecklenburg-Vorpommern ist möglicherweise an 345 Orten gefährlicher Sonderabfall aus Bohrlöchern zu finden

  • Lesedauer: 3 Min.
Giftige Bohrschlämme wurden in der Vergangenheit vor allem bei der Suche nach Erdöl und -gas auch im Nordosten einfach in den Boden gekippt. Etliche Standorte müssten dringend saniert werden.

Schwerin. In einem offenen Brief an Umwelt- und Wirtschaftsminister diverser Bundesländer hat ein Bündnis von Umweltorganisationen Aufklärung über Anzahl und Standorte von Bohrschlammgruben gefordert. Auskunft wurde ebenso über geplante Sanierungsmaßnahmen verlangt, wie BUND, Deutsche Umwelthilfe, Naturschutzring und das Umweltinstitut München am Montag mitteilten.

Nach Recherchen von NDR und WDR gibt es Hinweise, dass in Mecklenburg-Vorpommern möglicherweise an 345 Orten giftige Bohrschlämme von Öl- und Gasbohrungen ohne ausreichende Sicherheitsmaßnahmen deponiert wurden. Bundesweit soll es 1400 solcher gefährlichen Bohrschlammgruben geben.

Laut dem offenen Brief wurde in der Vergangenheit Bohrschlamm direkt an den Bohrplätzen abgelagert, obwohl es sich um gefährlichen Sondermüll handelt. Dieser enthält nicht nur zum Teil krebserregende Öl-Rückstände, sondern oftmals auch giftige Schwermetalle, wie Quecksilber und Arsen sowie radioaktive Stoffe.

Laut Schweriner Energieministerium fallen heute in Mecklenburg-Vorpommern keine teils dieser umweltgefährdenden Bohrschlämme mehr bei Tiefbohrungen an. Seit 1990 seien im Land zahlreiche Schlammgruben an ehemaligen Bohrplätzen identifiziert und teils komplett beseitigt worden, wie ein Sprecher mitteilte. Die genaue Anzahl der verbliebenen Schlammgruben stehe aber nicht fest.

Bis 1989 wurden im Nordosten an 430 Orten Tiefbohrungen abgeteuft, meist bei der Suche nach Erdöl und -gas. Seit 1990 wurden unter Aufsicht des Bergamtes Stralsund insgesamt 112 dieser ehemaligen Betriebspunkte untersucht, gesichert und vorhandene Schlammgruben aufwendig saniert.

Zwischen den Jahren 2004 und 2015 wurden 39 Schlammgruben zurückgebaut, wie der Sprecher mitteilte. Die verbliebenen Grubenstandorte wurden kategorisiert, um künftig eine Priorisierung für weitere Untersuchungsarbeiten zur Ermittlung des Sanierungsbedarfs vorzunehmen.

Bisher wurde das bei den Sanierungen anfallende Material der Schlammgruben auf den dafür zugelassenen Deponien in Rosenow (Vorpommern-Greifswald) oder Ihlenberg (Nordwestmecklenburg) beseitigt. Im Jahr 2013 wurden 12 416 Tonnen gefährliche Bohrschlämme auf der Deponie Ihlenberg umweltgerecht entsorgt. Die Abfälle stammten ausschließlich aus einem Sanierungsprojekt einer Bohrschlammgrube in Mecklenburg-Vorpommern.

Im benachbarten Niedersachsen - dort finden dem BUND zufolge rund 90 Prozent der bundesdeutschen Erdöl- und Erdgasförderung statt - war es lange Praxis, nach jeder Tiefenbohrung eine kleine Schlammgrube anzulegen. Später wurden die Rückstände mehrerer Bohrungen in zentralen Gruben gelagert, wie das NRW-Umweltministerium kürzlich erläuterte. Von 2005 bis 2013 seien 331 870 Tonnen Bohrschlämme aus Niedersachsen in NRW deponiert worden.

Doch auch dabei gibt es ein Problem: Der Raum auf den Deponien werde knapp, sagt Professor Walter Frenz von der Universität RWTH Aachen. Grundsätzlich gelte: »Das Wasserrecht ist einzuhalten. Jegliche Risiken fürs Grundwasser müssen ausgeschlossen sein.« Enthalte der Schlamm Schadstoffe und lagere in einer undichten Grube, sei das unsachgemäß.

Eine Umlagerung in einer besonders gesicherten Sondermülldeponie sei dann zwingend, betont der Experte für Umweltrecht. Eine Lagerung unter Tage - etwa in Salzlagerstätten wegen ihrer guten Abdichtung - hält er für sinnvoll. dpa/nd

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