Die Grenzen der Aufklärung

Tom Strohschneider über Medienlogik, Putins Nicht-Rolle und die Kritik daran

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 3 Min.

Die »Panama Papers« sind ein Lehrstück in Sachen Aufklärung: Darüber, welche medialen Logiken in der warenförmigen Neuigkeitenproduktion greifen. Darüber, was bei Enthüllungen falsch laufen kann. Und darüber, warum manche Kritik an politischer Einseitigkeit des Coups selbst Leerstellen hat.

Als am Sonntagabend die ersten Meldungen über die »Panama Papers« liefen, standen zwei Dinge fest: Die beteiligten Medien hatten im Rattenrennen um exklusive Nachrichten einen Erfolg gelandet - und es war ebenso klar, dass das Thema noch länger Schlagzeilen machen würde. Schon die Veröffentlichungspraxis früherer Enthüllungen wurde so »strukturiert«: Weil die teure Investition (Recherche) auch noch Erträge (Nachrichten) machen soll, wenn alle schon darüber berichtet haben, tröpfelt die Erkenntnis bisweilen in sehr kleinen Dosen in die Öffentlichkeit. Mit dieser ökonomischen Logik eng verwandt ist etwas, das man herrschaftskonformen Populismus nennen könnte: Nicht nur der britische »Guardian« hat bei seiner Aufmachung der »Panama Papers« Russlands Staatschef Putin ins Zentrum gerückt - der in den geleakten Daten nicht vorkommt, sondern lediglich ein Vertrauter von ihm. Mit dessen Namen aber hätte man keine Schlagzeile machen können. »Der Russe ist mal wieder der Böse«, so lautet, folgt man dem Medienjournalisten Stefan Winterbauer, das Motiv. Und der Ex-Diplomat Craig Murray hat die Putin-Betonung zum Anlass genommen, den enthüllenden Medien vorzuwerfen, westliche Regierungsziele zu verfolgen.

Was diese Kritik nicht einpreist: Der »Guardian« hat einen Tag später mit den Verstrickungen von Premier Cameron aufgemacht. Hierzulande drehte der Fokus an Tag 2 der »Panama Papers« ebenso auf deutsche Steuervermeider und ihre Helfershelfer. Der Österreichische »Standard« merkt zu Recht an, dass viel von dem Schwarzgeld, das früher in die Schweiz oder auf die Bahamas floss, heute in Nevada oder Wyoming versteckt wird. Die Frage, wem das ganze, politisch gestützte System der legalen Steuervermeidung dient, muss also ebenso gestellt werden wie die nach dem berühmten Cui bono.

Aus den »Panama Papers« aber eine Attacke westlicher Agenten oder regierungshöriger Journalisten zu machen, ist ebenso Vernebelung. Das Obszöne an der hier in Rede stehenden privaten Reichtumsmehrung ist ja nicht, dass der Profiteur aus einem bestimmten Land kommt. Sondern dass es ihn mit staatlicher Rückendeckung überhaupt noch gibt. Weltweit. Übrigens: Deutschland ist laut dem Tax Justice Network unter den Top Ten der für Schwarzgeldkonten und Steuerhinterziehung attraktiven Staaten. Fünf Plätze vor Panama.

Statt nun also zu beklagen, dass sich Medien im Kapitalismus wie Medien verhalten, ihr Coup mithin Teil der Verhältnisse ist, über die aufzuklären eine Enthüllung beiträgt, sollte der Blick auf die Substanz gerichtet werden - es geht im Kern um ein Verteilungsproblem und eines des politischen Willens, den staatlichen Selbstanspruch eines Mindestmaßes an Solidarität auch wirksam durchzusetzen. Damit sind linke und fortschrittliche Kräfte in Russland genauso konfrontiert wie in Saudi-Arabien oder den USA.

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