Dem Profit auf der Spur
Klaus Müllers neues Buch behandelt undogmatisch die Grundkategorien der marxistischen politischen Ökonomie
Der vom Neoliberalismus dominierte Mainstream der ökonomischen Theorie mystifiziert grundlegende Zusammenhänge der Wirtschaft, erklärt sie häufig falsch oder einseitig. Deshalb ist eine marxistische Interpretation und Erklärung der Kategorien der politischen Ökonomie für die politische Aufklärung wie auch für die Begründung einer realistischen linken Wirtschaftspolitik sehr wichtig. Es ist daher zu begrüßen, dass Klaus Müller in der Reihe Basiswissen des PapyRossa Verlags in diesem Frühjahr mit dem Buch »Profit« komprimierte Überlegungen zu grundlegenden Kategorien einer marxistischen politischen Ökonomie vorgelegt hat.
Darin werden neben dem Profit auch die anderen mit ihm verbundenen Kategorien und Begriffe behandelt, wie Doppelcharakter der Arbeit und des Werts, Ware, Preis, Geld und Kapital, die der Erklärung des Profits vorgelagert sind. Aber auch die verschiedenen Formen und Prozesse, in denen sich der Profit im kapitalistischen Konkurrenzkampf auf den Märkten äußert und entfaltet - wie Marktpreis, Durchschnittsprofit oder den tendenzieller Fall der Profitrate, - behandelt Müller in seinem Buch.
Müller gelingt es, die komplexen politökonomischen Kategorien verständlich darzustellen und durch zahlreiche Abbildungen zu veranschaulichen, in denen die Zusammenhänge auch anhand von Zahlenbeispielen erläutert werden. Er legt nicht nur seine Auffassungen dar, sondern setzt sich bei mehreren umstrittenen Kategorien kritisch mit anderen marxistischen Autoren auseinander. Dies betrifft zum Beispiel folgende Fragen: Welche Rolle spielt der ungleiche Tausch für die Erklärung der Höhe des Profits? Inwieweit unterscheidet sich der Kauf der Ware Arbeitskraft vom Kauf aller anderen Waren? Gilt das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate auch noch unter den gegenwärtigen Bedingungen?
Bei der Erörterung der im »Kapital« dargelegten Kategorien bleibt Müller nicht dogmatisch bei Formulierungen von Marx stehen, sondern weist auch auf einzelne Ungenauigkeiten oder offene Fragen hin. Hierzu gehört der Begriff individueller Wert, der »einen Widerspruch in sich selbst darstellt«, da der Wert immer eine gesellschaftliche Kategorie ist, die den gesellschaftlich notwendigen Arbeitsaufwand zum Ausdruck bringt. Ein anderes Beispiel sind die in der Literatur unter dem Begriff »Transformationsprobleme« behandelten Fragen der nicht eindeutig geklärten Umwandlung der Werte in Produktionspreise und der Profite in Durchschnittsprofite.
Die für die Erklärung der Wertschöpfung, ihres Umfangs und ihrer Entwicklung wichtige Frage, inwieweit Dienstleistungen zur produktiven Arbeit gehören oder nicht, wird nicht ganz befriedigend behandelt. Zwar werden Autoren für beide Auffassungen zitiert. Jedoch fehlt eine eindeutige Aussage des Autors, dass die Dienstleistungen grundsätzlich als Bestandteil der produktiven Arbeit anzusehen sind.
Bei einer Neuauflage sollten solche grundlegenden Prozesse stärker beachtet werden, die gegenwärtig und zukünftig den Inhalt und die Entwicklung der Kategorien des Kapitalismus wesentlich beeinflussen. Dies sind vor allem die umfassende ökonomische Globalisierung, die vielschichtigen Prozesse der Prekarisierung der Arbeit und die technologischen Umwälzungen durch die Digitalisierung (Industrie 4.0).
Die Publikation ist allen zu empfehlen, die entweder ihr politökonomisches Wissen prüfen und festigen oder sich politökonomische Basiskenntnisse aneignen wollen.
Klaus Müller: Profit, 134 Seiten, Basiswissen Politik/Geschichte/Ökonomie, PapyRossa Verlag Köln, 2016, 9,90 Euro
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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