Organisierte Kriminalität rückt ins Behördenvisier
Viele Vermutungen und Spekulationen nach Autobombe
Einen Tag nach dem Bombenanschlag auf ein Auto in der Charlottenburger Bismarckstraße, bei dem der Fahrer starb, vermutet die Staatsanwaltschaft den Hintergrund im Kokainhandel. Den Ermittlern zufolge war das 43-jährige Opfer Mesut T. wegen Drogen- und Falschgelddelikten bei der Polizei bekannt. Zudem gebe es Hinweise, dass der Mann in Polen wegen Drogendelikten inhaftiert gewesen sei.
»Es riecht nach Organisierter Kriminalität«, sagt der Grünen-Innenexperte Benedikt Lux. Eine Ansicht, die allgemein geteilt wird. Aber es gibt auch Widerspruch: »Wenn ein türkischer Staatsbürger in Berlin am helllichten Tag durch eine Autobombe getötet wird, dann erwarte ich fünf Jahre nach dem Bekanntwerden des NSU, dass Polizei und Staatsanwaltschaft automatisch auch in Richtung Rechtsterrorismus ermitteln«, sagt der Abgeordnete Christopher Lauer. »Die Tatbegehung mit einem Sprengsatz in aller Öffentlichkeit ist tatsächlich ungewöhnlich«, sagt André Schulz, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Zwar gab es in Hamburg und Brandenburg in den letzten Jahren schon Fälle, bei den der Sprengsatz rechtzeitig entdeckt worden sei, dies könnten jedoch genauso gut Inszenierungen gewesen sein. »Normalerweise schießen und stechen diese Leute«, sagt Schulz.
Am Mittwoch begannen Vernehmungen im Umfeld des Opfers und von Zeugen des Vorfalls. Die Untersuchung der Wohnung des Getöteten habe nichts ergeben, »was uns substanziell weiterbringen würde«, sagt Martin Steltner, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Möglicherweise wurde der Falsche getroffen. T. war nicht Halter des Autos. Einen terroristischen oder rechtsextremistischen Hintergrund schließen die Ermittler derzeit aus.
Der Mordanschlag könnte ein Racheakt innerhalb der Organisierten Kriminalität gewesen sein. André Schulz sagte, es heiße, das Opfer habe zuvor bei der Polizei ausgesagt und sei »deswegen abgestraft« worden. Dass der Anschlag der Beginn einer ganzen Serie sein könnte, hält Schulz für spekulativ, zumal T. dafür »zu unbekannt« gewesen sei.
Dem BDK-Vorsitzenden zufolge sei es jedoch schwer, zu ermitteln, da die Beamten in »abgeschottete Welten« eindringen müssten. Zwar sei die Anzahl der Ermittler bereits letztes Jahr erhöht worden, doch fehle es an operativen Kräften für Observierungen. »Anstatt Kräfte zu verschwenden«, sagt Benedikt Lux in Hinblick auf Polizeieinsätze im Görlitzer Park oder der Rigaer Straße, »muss man sich auf die harten Jungs konzentrieren«. Auch »mehr Geschick« bei der Austrocknung kriminellen Vermögens sei von Nöten.
LINKEN-Innenexperte Hakan Taş warnt vor der Clan-Diskussion: »Menschen, die einen bestimmten Nachnamen tragen sind ja nicht per se kriminell.« Am Freitag will Innensenator Frank Henkel (CDU) die Fraktionen über den Ermittlungsstand informieren. Bis Ende April soll ein Konzept zum verschärften Vorgehen gegen die Organisierte Kriminalität vorliegen.
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