Grüne wollen endlich mitregieren
Partei bestätigtet Vierer-Spitzenteam auf der Landesliste / Nur 61 Prozent der anwesenden Mitglieder wollen Ramona Pop als Nummer Eins
»Der grüne Balken soll wachsen am Wahlabend und keiner soll mehr an uns vorbeikommen«, wünschte sich die Fraktionschefin Ramona Pop. Sie kandidierte für Platz eins der Landesliste bei Landesmitgliederversammlung am Sonnabend im ehemaligen Kino Kosmos in Friedrichshain. Nur knapp 61 Prozent der 756 abstimmenden Mitglieder votierten für sie. »Sozialistische Ergebnisse gibt es bei uns nicht«, kommentierte Pop das. Tatsächlich ist das kein Traumergebnis, allerdings ist das in der wenig konfliktscheuen Partei auch kein Riesendrama. Geahnt hat sie das Ergebnis wohl, schließlich appellierte sie eindringlich »gemeinsam für die grüne Sache« zu kämpfen.
Die Kandidaten für die Plätze zwei bis vier konnten sich über Zustimmungswerte von 73 bis 78 Prozent freuen. Das waren in der Reihenfolge die Co-Fraktionschefin Antje Kapek, die Landesvorsitzende Bettina Jarasch sowie der Co-Landesvorsitzende Daniel Wesener, sogar trotz einer Gegenkandidatur aus dem parteiintern umstrittenen Kreisverband Spandau.
Rein formal handelte es sich bei den Abstimmungen nur um ein Meinungsbild, da nicht durchgehend die für das Basisvotum nötigen 15 Prozent Parteimitglieder anwesend waren - das wären 806 gewesen. Parteirechtlich beschlossen wurde die Aufstellung durch die mit der Mitgliederversammlung abgehaltene Landesdelegiertenkonferenz, die in Achterblöcken die Listenplätze bestätigte - dann mit Wahlergebnissen zwischen 83 und 94 Prozent.
Fast schon physisch greifbar war der Wunsch der Grünen, auf jeden Fall an der nächsten Regierung beteiligt zu sein. Das äußerte sich in den meisten Redebeiträgen vor allem in Kritik am bisherigen Senat. »Nicht die Schlagstöcke von Frank Henkel sollen in den Straßen den Takt vorgeben, sondern Musik zum Tanzen«, wünschte sich Antje Kapek ein Ende der Regierungszeit des CDU-Innensenators. »Alles voller Fahrräder und Fußgänger und die SPD sitzt im Auto. Die CDU scheitert an ihrem eigenen Markenkern ›innere Sicherheit‹«, attestierte Bettina Jarasch in ihrer starken Rede. »Dann sind wir eben die Homolobby, die Gutmenschen im Genderwahn. Wir sind stolz darauf. Wir sind Anti-AfD«, sagte Daniel Wesener in seiner Rede. Man müsse, so der Landeschef, für Selbstbestimmung kämpfen.
Die Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses, Anja Schillhaneck, konnte sich auf dem fünften Platz gegen die Kultur- und Arbeitsmarktexpertin Sabine Bangert durchsetzen. Der als Sprecher des Energietisches bekannt gewordene Stefan Taschner, der erst seit zwei Jahren Grünen-Mitglied ist, sicherte sich schließlich im vierten Wahlgang Platz sechs. Die Migrationspolitikerin Canan Bayram kam auf Platz sieben, der Verkehrs- und Netzexperte Stefan Gelbhaar auf den achten Listenplatz. Die Grünen würden auch ein Wahlergebnis über 19 Prozent schaffen, gab sich Gelbhaar siegessicher und versprach: »Jedes Prozent mehr sind 50 Kilometer mehr Fahrradwege.«
Auf Platz neun setzte sich die Friedrichshain-Kreuzberger Bezirkspolitikerin Fatoş Topaç durch, auf dem zehnten Platz stand konkurrenzlos der Innenpolitiker Benedikt Lux zur Wahl. Seine Bewerbungsrede klang so, als ob er bereits kurz davor stehe, Innensenator zu werden, auch deswegen, weil er deutlich konkretere Ziele für eine Regierungszeit formulierte als seine Vorredner.
Auf den ersten 16 Plätzen konnten sich im direkten Duell Umwelt- meist gegen Sozialpolitiker durchsetzen, so auch auf Platz 13, wo Silke Gebel gegen die Frauenpolitikerin Anja Kofbinger antrat. Das änderte sich später noch. Jüngste Abgeordnete des künftigen Parlaments könnte die 19-jährige June Tomiak werden, die auf Platz 15 gewählt wurde. Mit gewisser Skepsis wurde gesehen, dass bis Platz 22 keine Haushaltspolitiker aufgestellt wurden. Zwar konnten die Grünen bei der letzten Wahl mit 17,6 Prozent 29 Angeordnete stellen, bei einem schlechten Wahlergebnis führte das zu einer Lücke in der Fraktion. »Ich hoffe, dass es in der neuen Fraktion nicht so holpern wird, wie es schon vorgekommen sein soll«, sagte Dirk Behrendt, der nicht wieder antritt. Die Listenaufstellung wirkte tatsächlich recht harmonisch.
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