Kunst im Bau - ein Ausgleich
Der Landtag Brandenburg zeigt Plakatkunst aus 50 Jahren
Betritt man in seiner Eigenschaft als Bevölkerung, Abteilung Wahlvolk, den innen strahlend weiß leuchtenden Schlossnachbau in Potsdam, in dem der brandenburgische Landtag residiert, informiert man sich zunächst. Dazu gibt es den Informationsstand. Dort liegt auf dem Ladentisch die eine DIN-A-5-Broschüre, und unter dem Ladentisch die andere. Die Aufmachung ist ähnlich, der Inhalt sehr verschieden. Die eine bezieht sich aufs Außen, die andere (mit 24-farbigen Abbildungen) aufs Innen des Hauses.
Die oben liegende preist selbstgefällig das dem edlen historischen Baukörper zugeordnete neu geschaffene Zubehör. Welches sich so passgerecht an Herrn von Knobelsdorff anlehnt, dass die künstlerische Handschrift des 21. Jahrhunderts dabei völlig unsichtbar bleibt. Von der Tatsache, dass es sich hier um einen Landtagsneubau der demokratisch verfassten Gegenwart handelt, mal abgesehen. Nun geben zurzeit als kompetent angesehene Personen vor, was »Kunst am Bau« ist. Das konnten offenbar heute lebende Künstler/innen nur auf diese jetzt sichtbare Weise realisieren. Florian Dombois schuf zwei leicht verfremdete Repliken von Details der zweiten Knobelsdorff-Kreation Sanssouci in bemaltem Aluminium. Annette Paul übersetzte den Spruch »Dies ist kein Schloss« ins Französische und pinnte das wiederum in englischer Schreibschrift vergoldet an die Fassade.
Zugegeben, da zeigt sich das offizielle Potsdam ungewohnt heiter. Zweimal ein witziger Gag. Nun ist der Witz am Gag, dass er leider kurzlebig ist. Das dauert, bis im Preußischen der nächste Geistesblitz zündet. Denn: In der Broschüre dürfen wir die Worte der Vorsitzenden des Preisgerichts, der Kunstpädagogin Leonie Baumann, lesen: »Kunst im öffentlichen Raum braucht hin und wieder etwas Zeit und Geduld der Betrachter. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass beide Kunstwerke in absehbarer Zeit nicht mehr wegzudenken sein werden.« Da eben liegt der Irrtum - nach dem Aufblitzen von Witz ist es dunkel. Der denkt sich selber weg. Was auf Dauer bestehen kann, ist immer das markante zur Form geronnene Symbol. Vor dem Bundeskanzleramt seinerzeit in Bonn war es Henry Moores Skulptur. Vor demselben in Berlin ist es die des Eduardo Chillida. Warum dachten die Auftraggeber des Landtages nicht daran, moderne Skulptur dem historisierenden Bau zuzugesellen?
Diese Blindheit ist leider kein Ausnahmefall. Der Landtag, anfangs ohnehin gestraft mit einem farblos weiß erscheinenden roten Adlersymbol, rieb sich die Augen, und beschloss: Jeweils für ein Jahr zeigen wir neuere Kunst in unserem Bau. Nun ist das Selbstbewusstsein der Gegenwart extrem auf Vergangenheit orientiert. Da können wir von Glück reden, wenn nun statt 300 Jahre mal nur 50 Jahre zurückgeblickt wird. Kunst im Bau. Das ist die Chance. Architekt Peter Kulka tat ja voller Hinterlist sein Bestes, als er im ganzen Haus prachtvoll weiße Hängeflächen frei ließ. Von solchen Möglichkeiten über drei Etagen kann ein Kunstmuseum nur träumen.
Drei Topadressen gibt es davon im Brandenburgischen: Frankfurt/Oder, Cottbus und Potsdam. Nach Frankfurts Galerie Junge Kunst 2014 und Cottbus’ Dieselkraftwerk 2015 wäre dieses Jahr das dem Landtag unmittelbar benachbarte Potsdam Museum dran gewesen. Dessen Ratlosigkeit ließ bereits Termine kippen - nun sprang gleich zum zweiten Mal Cottbus ein. Nach Proben aus seiner Fotosammlung 2015 zeigt die Kuratorin Barbara Martin diesmal solche aus seinem Plakatarchiv. Da dasselbe sowohl regional als auch national und global gesammelt hat, ist das ein politischer Idealfall. Man entgeht dem Vorwurf des Provinziellen. Die Welthaltigkeit der plakativ gestalteten Themen ist unstrittig - auch, wenn es sich dabei »nur« um Kunst handelt.
Denn das ist Programm: Die Benennung der Ausstellung als »Kunst/Plakat/Kunst« soll es demonstrieren. Wenn die Gegenwart des Plakatschaffens künstlerisch extrem ausgedünnt ist, wird die gerade vergangene Vergangenheit umso wichtiger. Das war die Zeit, als das Sammeln von »Postern« noch Kult war, und mitunter eine suggestive plakative Ästhetik das Straßenbild prägte. Zugegeben: Die weitgehende Beschränkung auf das Plakatieren kultureller Events grenzte das ein. Aber siehe da, welch ein Zufall: Das angeblich so graue Land DDR zeigte sich vornean im internationalen Vergleich. Auf den Plakatbiennalen in Polen, Japan oder der Schweiz mit Preisen bedacht, sind die Exponate inzwischen historisch beglaubigt.
Die Formsprache zeigt sich immens vielgestaltig. Abstrahieren aufs lapidare Zeichenhafte ist Grundprinzip. Die erdrückende Übermacht gegenwärtiger Werbung kennt das überhaupt nicht mehr - bunt und üppig, detailreich und geistesarm, wie sie ist. Ihr Wunschziel ist der Konsument, rational und emotional ausschließlich aufs Kaufen programmiert. Rettungslos. Ohne das Wenn der vernünftigen Nachfrage und das Aber der Suche nach tieferer Bedeutung. Eben auch politisch willkürlich steuerbar. Und hier das Gegenteil. Genau das ist das Moment, wieso genau das an die Wände eines Parlamentes von der Bedeutung eines Landtages gehört. Denn nur der politisch und künstlerisch mündige Bürger kann motiviert werden, am Fassen von Beschlüssen und Erlassen von Gesetzen teilzuhaben.
Wem dieser Gedankengang zu kompliziert ist, hier ganz einfach: In den gezeigten Plakaten wird zum Nachdenken angeregt. Zum Um-die-Ecke-Denken. Zum Lächeln und Lachen gibt es immer wieder Anlass. In der Verfasserliste beim Buchstaben B ist mit Bärmich, Bodecker, Bofinger, Brade, Büttner, Bundy und Butzmann schon allein soviel heitere Fabulierkunst beisammen - da muss man schon ganz hartgesotten sein, das zu ignorieren. Der Mix älterer und neuerer Plakate, oft von denselben Autoren, ist geglückt. Plakatgrößen Deutsch West wie Grindler, Jordan, Kieser, Loesch, Rambow und Staeck ergänzen sich wunderbar mit ihren Pendants Ost wie Frank, Grüttner, Haufe, Klemke, R.F.Müller, Pfüller, Riedel, Wagenbreth und Wunderlich. Die international bedeutende polnische Flanke hat Drewinski, Lenica, Mlodozeniec, Olbinski, Sadowski, Stasys und Swiercy zu bieten.
Doch Namen sind nur das Eine. Unverzichtbar in der Kunst, meine ich. Wenn sich zwei als satirische Talente hochbegabte Grafikdesigner hinter dem Pseudonym Various & Gould verstecken, anonymisiert das ungewollt ihre tolle Aussage zu den »Modernen Heiligen von Sankt Nimmerlein«, die sie auf sieben Siebdrucken 270 x 65 anbieten. Prachtvoll zu sehen gleich am Treppenaufgang Etage II des Hauses. Aber Grundidee, Farbkomposition, Schrift-Gestaltung, knappe Figürlichkeit - das alles zählt unabhängig vom Namen. Ob nun finnisch oder russisch, chinesisch oder japanisch, ungarisch oder französisch ausgesprochen oder empfunden und gestaltet. Das ist eine Weltbildsprache, die viel öfter auch zur politischen Mahnung und Kundgebung, zu Wahlkampagnen und Manifestationen eingesetzt werden sollte. Eben das ist leider zu wenig bei dieser Auswahl spürbar.
Kunst/Plakat/Kunst aus der Sammlung des dkw. Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus, Landtag Brandenburg in Potsdam, Mo-Fr 8-18 Uhr, bis 19. Dezember.
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