Listig, lässig

»Paula« für Manfred Krug

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Sonntag erhält der Schauspieler diesen Preis des Progress Filmverleihs. Ob Kommunist oder Kommissar: kein Verwandler. Er verdrängte Raum, dies verwandelte alle Welt, die er bespielte.

Paula - klingt weit besser als Balla. Dieser Preis, benannt nach der DEFA-Kultschönheit aus der »Legende von Paul und Paula«, hätte aber durchaus auch »Balla« heißen können. Nach dem legendären Brigadier aus »Spur der Steine«. Ebenfalls DEFA-Kult: Kühnheit und Verbot, Wahrhaftigkeit und deren offizielle Verächtlichmachung. Im Film kommt die Partei auf den Bau (es regnet in die Zimmermannshüte hinein), und Manfred Krug als Balla stellt sich vor: »Ich bin Pittiplatsch ... der Liebe.« Er senkt den Kopf, Regen pittiplatscht in die zum Gruß geöffnete Hand des Parteisekretärs. Arbeitermacht: Selbstmächtigkeit. Statt Arbeiterklasse: Charakter.

Also Paula statt Balla - am Sonntag erhält der Schauspieler diesen Preis des Progress Filmverleihs, gestiftet von der Industrie- und Handelskammer. Krug. Geboren 1937 in Duisburg. Brandenburger Schmelzer. Ob Kommunist oder Kommissar: kein Verwandler. Er verdrängte Raum, dies verwandelte alle Welt, die er bespielte. Ein charismatischer Handwerker, und Handwerk kommt nicht vor der Kunst, sie ist es schon. Krug gehört zu den Filmleuten, die Werkstatt sagen würden, seit jeder Friseur von Studio faselt.

Ein Mensch kann bescheiden auf einer Bildfläche erscheinen, er kann aber auch kraftvoll vom Stapel laufen, als zerschelle an seiner Brust eine Flasche Sekt. So, wie Krug auf jeder DEFA-Leinwand erschien. Ein Schwung ganz »Auf der Sonnenseite«. Diese Vitalität: »Weite Straßen - stille Liebe«. Dieses freche Unmaß: »Mir nach, Canaillen!« Schmerzende Brüchigkeit am Abgrund - wenn an Sinn nichts blieb außer Durchhaltekraft: »Fünf Patronenhülsen«.

Der Ost-Star wollte in den Westen, weil ihm erklärt wurde, die DDR sei Welt genug. Und im Funktionärswesen, das ihm den Beruf abwürgte - da er für Biermann eintrat - verachtete er auch jene Unkultur, für die er eine bittere Episode parat hatte: Der DEFA-Direktor hatte sich von Krug eine LP des ihm unbekannten Louis Armstrong geliehen und sie mit den Worten zurückgegeben: »Brauche ich nicht, solche Geräusche macht mein Wannenabfluss, wenn das Badewasser abläuft.«

Er wirkte nie wie einer, der zu viel weiß, doch immer wie einer, der weiß, worauf es ankommt. An Lust, an List, an Lässigkeit. An Schnodder. Aber den politisch Starken, also den von Millionen Zuschauern begeistert aufgenommenen Widerstandskämpfern und Aufbauhelden (»Wege übers Land«, »Daniel Druskat«), gab er auch Unergründliches und Verunsichertes - so, als lebten diese Leute Rettung und Verhängnis gleichzeitig. Das Glück wie den Verlust. Belastend viel konnte seinen Gestalten übern Kopf wachsen und übers Herz, aber kaum was übers Maul. In den späten Jahren schien es, er käme - die Arbeit betreffend - auch traumlos ganz gut durchs Leben. Er schmeckte ab; und er biss, wenn ihm die Realität die Zähne zeigte, nur so weit zu, dass er sich noch jede Chose auf der Zunge zergehen lassen konnte. Wenn ich Glaubwürdigkeit und Spiel zusammenfühlen will, denke ich unbedingt auch an diesen einzigartigen Manfred Krug.

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