Mit Kriegsschiffen gegen Schleuserbanden
NATO diskutiert Einsatz in der Ägäis / Russland weist Vorwürfe wegen Angriffen in Syrien zurück
Der Tod vieler Flüchtlinge - allein seit Jahresbeginn 340 - bei der Fahrt über das Ägäische Meer von der Türkei nach Griechenland war Thema einer NATO-Tagung am Mittwoch in Brüssel. Dabei stand weniger die Rettung Schiffbrüchiger als die Verhinderung des Ankommens in Griechenland durch den Einsatz von NATO-Schiffen im Zentrum der Debatte. Angeregt worden war diese vom deutsch-türkischen Gipfel am Dienstag in Ankara. Konkrete Beschlüsse dazu gab es aber nicht.
Allerdings ist sich nicht einmal die deutsche Regierung einig, ob Schlepper und Schleuser von der NATO bekämpft werden sollten. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) kann es sich offenbar vorstellen. Ziel müsse es sein, sagte sie am Mittwoch in Brüssel, mit NATO-Hilfe »das perfide Geschäft der Schmuggler und der illegalen Migration zu erschweren - wenn nicht unmöglich zu machen«. Dagegen erklärte Außenminister Frank-Walter Steinmeier gegenüber der »Leipziger Volkszeitung«: »Die NATO kann keine Rolle bei der Steuerung der Flüchtlingsmigration spielen.« Es gehe um »das Überlassen von Lagebildern, die eine effektivere Bekämpfung der Schlepperkriminalität möglich machen«.
Die Diskussion findet unter dem erpresserischen Druck der türkischen Regierung statt, bei Nichterfüllung ihrer Forderungen an die EU die »Schleusen zu öffnen« und allen auf ihrem Gebiet vor allem aus Syrien angekommenen Flüchtlingen den Weg nach Europa freizugeben. Am Dienstag war eine entsprechende Notiz von einer Begegnung des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bekannt geworden.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), hat die russischen Luftangriffe in Syrien kritisiert. »Hinter den Angriffen auf Aleppo steckt ein menschenverachtendes Verhalten von Russlands Präsident Wladimir Putin, Syriens Machthaber Baschar al-Assad und von Hisbollah-Milizen«, sagte Röttgen der Bochumer »Westfalenpost«.
Derlei Vorwürfe wies Russland als »Unsinn« zurück. Vizeaußenminister Alexej Meschkow sagte nach Angaben von Interfax, Russland verstärke mit seinen Luftangriffen keineswegs den Flüchtlingsstrom nach Westeuropa. »Es ist umgekehrt - unsere Luftkräfte und die syrische Armee schaffen die Voraussetzung dafür, dass viele Flüchtlinge nach Syrien zurückkehren können.« Außenamtssprecherin Maria Sacharowa warf erneut der Türkei vor, mit Terroristen in Syrien zusammenzuarbeiten.
Bei heftigen Kämpfen nördlich der syrischen Stadt Aleppo sollen diese Woche mehr als 500 Kämpfer getötet worden sein, darunter mehr als 270 von der Terrortruppe Nusra-Front und etwa 140 Regierungssoldaten. Seiten 4 und 7
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