Auf Grund gelaufen
Der Hamburger Hafen gibt derzeit ein schlechtes Beispiel für die deutsche Wirtschaft ab
Das Flaggschiff der exportorientierten deutschen Industrie meldet für das vergangene Jahr einen Einbruch des Containerumschlags von 9,3 Prozent. Allein mit dem wichtigsten Handelspartner China wurden im Hamburger Hafen rund 400 000 Containerboxen (TEU) weniger umgeschlagen. Auf Lkw verladen, ergäbe dies einen Konvoi, der längs durch Europa von Norwegen bis Italien reichte. Der weit weniger asienlastige Konkurrent Antwerpen hat Hamburg damit vom zweiten Platz in der Liste der größten europäischen Häfen verdrängt.
Als akute Sturmwarnung muss gelten, dass die Exporte aus dem Hafen noch mehr verloren als die Importe. Dies passt zu Meldungen, wonach das deutsche Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal »sehr schwach« ausgefallen sei und die Industrieproduktion laut Commerzbank im Dezember sogar um 1,2 Prozent abflaute. Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch nennt als Hauptgrund die »globale Entwicklung«: Politische Unsicherheiten in Nahost, das verlangsamte Wachstum in China und die Rezession in Russland durch Ölpreisverfall und Sanktionen.
Russlands Probleme schlagen sich im Handel mit dem wichtigsten EU-Partner Hamburgs, Polen, nieder. Der Umschlag mit dem Drehkreuz für Mittel- und Osteuropa brach mit minus 39,8 Prozent rundweg ein. Selbst Hafensenioren können sich nicht an ein solches Debakel erinnern.
Einzigartig ist auch die Havarie der 400 Meter langen »CSCL Indian Ocean« vor einer Woche. Noch nie war ein solcher Containerriese mit rund 10 000 TEU an Bord auf Grund der Elbe gelaufen. Das Krisenmanagement habe »funktioniert«, waren sich Senator, Hafenwirtschaft und Hafenverwaltung HPA auf der vorgezogenen Jahrespressekonferenz der »Hafen Hamburg Marketing« am Mittwoch einig. So sei das Schiff dank der Lotsen zunächst »kontrolliert nördlich der Fahrrinne verbracht worden«, berichtet Lotsenältermann Ben Lodemann. Am Freitag soll das chinesische Staatsschiff, das am Donnerstag am »Eurokai« entladen wird, wieder aus dem Hafen auslaufen.
Im Gegensatz zu Stimmen aus der Linkspartei und von Grünen sieht sich der rot-grüne Senat der Hansestadt durch die Havarie in seinem Kurs bestätigt, die Elbvertiefung endlich in diesem Jahr zu beginnen. Denn neben der Kappung einiger Bergspitzen unter Wasser bestehe die »Fahrrinnenanpassung« vor allem in der Verbreiterung der Fahrwassers und des Ausbaus von Korridoren an heiklen Stellen. Damit der »Begegnungsverkehr« für dicke Pötte reibungslos möglich wird. Die Zahl der Großcontainerschiffe wächst seit Jahren. Allein 150 Anläufe ultragroßer »Megaboxer« wie der »Indian Ocean« wurden 2015 in Hamburg verbucht, zudem 160 Kreuzfahrtschiffe mit bis zu 5000 Menschen an Bord.
Wenig Wirkung verspricht sich Vize-Hafen-Chef Ingo Egloff vom gerade verabschiedeten »Nationalen Hafenkonzept« der schwarz-roten Bundesregierung. Eine Kooperation der deutsche Häfen, für die sich der damalige niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) schon Anfang der 2000er Jahre stark machte, könne nicht funktionieren. Schließlich entschieden Reeder, Logistikkonzerne und Industrie darüber, wohin sie führen.
Für Hamburg sprächen dann der große regionale Markt und seine »Wertschöpfung«: Mit seinen Industrie- und Logistikbetrieben gilt der Hafen als größter Arbeitgeber für Schleswig-Holstein und zweitgrößter für Niedersachsen. Für die Umwelt entwirft Egloff noch ein Alptraumbild: Kein »Megaboxer« steuert mehr Hamburg an - stattdessen brettern hunderttausende Lkw aus Rotterdam und Wilhelmshaven über deutsche Autobahnen. Für die wirtschaftliche Zukunft sieht es bereits düster aus: Für 2016 rechnet der Hafen bestenfalls mit stagnierenden Umsätzen.
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