Moskau bleibt in Syrien hart

Russland bekräftigt Luftunterstützung für Assad-Truppen, kündigt aber »neue Ideen« an

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Kämpfe in Nordwestsyrien haben am Wochenende erheblich zugenommen. Die Regierungstruppen gewinnen an Terrain dank russischer Luftunterstützung. Dagegen gibt es westliche Proteste.

Die syrischen Regierungsstreitkräfte haben ihre Operationen gegen die Rebellenmilizen in und um Aleppo, zweitgrößte Stadt des Landes, erheblich ausgeweitet. Dabei befinden sich die Assad-Truppen offenbar militärisch auf dem Vormarsch, sodass erneut, wie bei Homs im Vorjahr, die Rückeroberung einer Großstadt möglich erscheint. Die Zwei-Millionen-Stadt Aleppo wird seit über drei Jahren, jetzt nur noch etwa zur Hälfte, von regierungsfeindlichen Milizen beherrscht; darunter ist die für ihre Gnadenlosigkeit gegenüber gefangenen Regierungssoldaten berüchtigte Nusra-Front ebenso wie sogenannte gemäßigte Rebellen. Der Übergang dürfte fließend sein. Schließlich arbeitet man zusammen.

Ermöglicht wurde der Erfolg der Offensive durch die starke russische Luftunterstützung. Moskau führt damit das Gerücht ad absurdum, man habe sich intern mit Washington darauf verständigt, die syrische Führung fallen zu lassen. Außerdem zeigt man »nebenbei«, was man hat und dass auch zum Beispiel hinsichtlich des Ukraine-Konflikts niemand die russische Entschlossenheit unterschätzen sollte, wenn man sich zuvor russischen Vorstellungen gegenüber taub gestellt hatte.

Nicht Moskau hatte den Unilateralismus in der Syrien-Politik zum Handlungsprinzip erklärt. Mitte vorigen Jahres hatten die USA verkündet, auch in Syrien Bombenangriffe zu fliegen, ohne Abstimmung mit Russland, geschweige denn, dass man sich um ein UN-Mandat bemüht hätte. Den USA folgten Frankreich, Großbritannien und die Türkei. Proteste aus Damaskus ignorierte man.

Wie ernst es Moskau ist, wird aus der Erklärung eines Sprechers der Luftstreitkräfte vom Sonnabend deutlich. Moderne Jagdflugzeuge vom Typ Su-35, so hieß es bei RIA Novosti, würden in Syrien nun rund um die Uhr ihren Dienst leisten. Die Suchoi-Maschinen hätten erst im Herbst ihren Dienst bei der russischen Luftwaffe angetreten. Zuvor hatte der Moskauer »Kommersant« berichtet, dass der russische Generalstab vier neue Su-35S nach Syrien verlegt habe, um sie unter realen Kampfbedingungen zu erproben. Die Su-35S sei ein hochmoderner, supermanövrierfähiger Mehrzweck-Kampfjet.

Die von Moskau unterstützte Offensive der Assad-Truppen auf die Region um Aleppo und das Abschneiden von Nachschub aus der Türkei werden von Berlin, vor allem aber von Washington als Hauptgrund für das vorläufige Scheitern der Bemühungen bei den Genfer Syrien-Gesprächen genannt. Russland widerspricht dem vehement. Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin bezeichnete die westliche Kritik am Freitag in New York laut AFP als »geschmacklos«. Jetzt sei nicht der Moment für Anklagen. »Unsere gemeinsamen politischen Bemühungen müssen verstärkt werden.«

Moskau, so Tschurkin, beabsichtige nicht, seine »vollständig legitimen« Luftangriffe zu beenden. Russland werde aber bei einem Treffen der internationalen Syrien-Unterstützergruppe am Donnerstag in München »bestimmte neue Ideen auf den Tisch legen«. Dabei gehe es insbesondere um einen »Waffenstillstand«.

US-Außenminister John Kerry war am Wochenende insofern darauf eingegangen, als er erklärte, Moskau habe ihm gegenüber »sehr direkt« seine Bereitschaft zu einem Waffenstillstand bekundet. Gleichzeitig forderte er Russland erneut auf, seine Angriffe auf die Assad-Gegner einzustellen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier kritisierte Russland scharf. Der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« sagte er, die russischen Luftangriffe hätten die militärischen Kräfteverhältnisse »für den Moment verschoben«.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.