Der weißblaue Horst

Seehofer und die CSU profilieren sich auf Kosten der Kanzlerin

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 4 Min.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat derzeit viele Probleme. Zwei davon kommen aus Bayern: Horst Seehofer und seine CSU machen auf Gegenregierung.

Sehr, sehr eigenständig, so lässt sich derzeit die Politik der CSU beschreiben, die innenpolitisch versucht, die Bundeskanzlerin bei der Flüchtlingsfrage vor sich her zu treiben und die zugleich eine spezielle bayerische Außenpolitik betreibt. Und die jetzt mit dem Besuch des bayerischen Ministerpräsidenten bei Russlands Regierungschef Wladimir Putin erneut für Furore gesorgt hat. Zu Recht erhebt sich die Frage, was eine derartige Querfront zur offiziellen Politik der Bundesregierung, zu der nebenbei erwähnt auch die CSU selbst gehört, zu bedeuten hat und was Horst Seehofer und seine Partei umtreibt.

Vielleicht hilft ein ganz kleiner Blick in die Zukunft: Mitte nächster Woche ist Aschermittwoch und dann schaut nach Meinung der CSU »wieder ganz Deutschland nach Passau«. Trifft sich doch in der Dreiländerhalle die Partei zum Politischen Aschermittwoch. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sieht das so: »Der Politische Aschermittwoch ist das Hochamt der CSU, der größte politische Stammtisch der Welt - oft kopiert, aber von anderen nie erreicht. Ich freue mich auf gefühlt 10 000 Besucher aus Nah und Fern in meiner Heimatstadt Passau.«

Vielleicht sehen aus der Ferne ja auch der ungarische Präsident Victor Orban und der britische Premier David Cameron zu, beide als Spielart der bayerischen Außenpolitik jüngst zu Gast in Wildbad Kreuth. Sie werden dann einen Horst Seehofer als Parteivorsitzenden erleben, der derzeit mit einem seltsamen Pokerspiel Politik betreibt. Denn auf beiden Feldern, auf denen die CSU größte Aufmerksamkeit auf sich zieht, hat sie im Grunde nicht zu entscheiden.

Sowohl die Grenzsicherung zu Österreich in Sachen Flüchtlinge als auch die Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland sind Sache der Bundesregierung in Berlin beziehungsweise der Europäischen Union. Wenn Seehofer in Moskau äußert: »Bayern und Moskau pflegen schon seit Jahrzehnten eine enge Partnerschaft der Regionen, mit gegenseitigen Delegationsbesuchen und dem Austausch auf allen Ebenen - von der Verwaltung bis hin zu Wirtschaft und Kultur. Daran möchte ich mit der Unterzeichnung einer Gemeinsamen Absichtserklärung zur Zusammenarbeit zwischen Bayern und Moskau anknüpfen«, dann ist das als Ministerpräsident zwar legitim, aber eben nur im Rahmen der offiziellen Berliner Außenpolitik. Wenn Seehofer die Aufhebung der Sanktionen fordert dann ist das ähnlich wie bei der Grenzsicherung: Zu entscheiden hat Bayern dabei nichts.

Doch Seehofer wird auf dem »größten Stammtisch der Welt« mit Recht auf einen Wechsel in der Wahrnehmung der CSU, was ihr bundespolitisches Gewicht anbelangt, hinweisen können. Vor der Ankunft der Flüchtlinge war der Ruf der Regionalpartei, was ihren Berliner Einfluss anbelangt, vor allem durch zwei Flops gekennzeichnet: der festgefahrenen Autobahnmaut für Ausländer und das gescheiterte Betreuungsgeld. Beobachter sahen die CSU schon in regionaler Bedeutungslosigkeit versinken.

Seitdem Seehofer und Co. aber die Bundeskanzlerin bis zum Rande des Eklats in der Flüchtlingsfrage und jetzt mit dem Moskaubesuch unter Druck setzt, erlebt die Partei ein Comeback auf bundespolitischer Ebene. Jedenfalls in der Wahrnehmung der Wähler. Getragen von der Umfrage-Stimmung ist die CSU und ihr Parteichef im Moment auf einem Erfolgskurs. Im aktuellen Deutschlandtrend der ARD sagen 45 Prozent der Befragten, sie seien mit Seehofer zufrieden. Im September waren es noch 28 Prozent. Seehofer gewinnt, während Merkel verliert. »In Berlin ist die CSU so stark, wie selten zuvor in dieser Legislaturperiode«, so ein Kommentar des Deutschlandfunks. Und das wie erwähnt, ohne dass die CSU aus den süddeutschen Landen heraus wirklich etwas »liefern« müsste.

Im Vordergrund steht für Seehofer der Machterhalt seiner Partei, die sich als geschlossenes Bollwerk gibt. »Also, wenn ich jetzt mal mich persönlich nehme, ich sag das ganz offen, da muss ich wirklich sagen, wir sind da näher zusammen gerückt«, so etwa Barbara Stamm, Präsidentin des bayerischen Landtags. Seit 40 Jahren ist die 71-Jährige schon für die CSU im Parlament und auch sie, die sich als »links der Mitte« bezeichnet, steht ohne Wenn und Aber hinter der Flüchtlingspolitik ihrer Partei, also unter anderem der Forderung nach schärferen Grenzkontrollen und einer nationalen Obergrenze für Flüchtlinge. Für Michael Weigl, Politikwissenschaftler an der Uni Passau, ist zum Beispiel klar: »Natürlich gibt es auch innerhalb der CSU sehr unterschiedliche Interessen, aber sie sind eben nicht so fest organisiert. Und was noch mehr zählt, ist sozusagen das Gesamtinteresse der Partei, hinter dem man sich, wenn es denn sein muss, auch schart und wieder versammelt.«

Seehofer erreicht mit seiner derzeitigen Politik der Zuspitzung also mindestens drei Ziele: Eine Schärfung des Profils in Berlin, die Geschlossenheit der Partei und den Zuspruch in der Bevölkerung.

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